Warum sich Chef :innen die Erlaubnis geben sollten, entlastet zu werden.

 

Immer wieder lesen wir vom Pflichtenheft guter Chef:innen, um als Ergebnis ihres Führungshandelns motivierte Mitarbeiter zu bekommen. Dafür gibt es als Unterstützung vielfältige Personalentwicklungsprogramme, Coaching, Peer-Group-Sparring und vieles mehr. Auf der organisationalen Ebene werden Prinzipien wie agiles Arbeiten eingeführt oder ganze Organisationen demokratisiert.

Stellen wir es uns mal andersherum vor: Was wäre, wenn Mitarbeitende ihre Chef :innen motivierten?

Da fragen sich so manche dieser Zielgruppe nun bestimmt: „Wie soll das denn gehen?“

Klappen könnte es durch Zutrauen und Vertrauen. In die individuelle Bereitschaft der Mitarbeitenden, geklärte Verantwortung übernehmen zu wollen und diese gemäß persönlicher Möglichkeiten und Potenziale als Beitrag für den gemeinsamen Geschäftserfolg einzubringen. Wir sprechen hier von Menschen, die gerne zur Arbeit kommen, weil sie Teil eines großen Ganzen sein möchten, weil sie Zugehörigkeit und Teamarbeit schätzen, mit denen vermutlich noch mehr möglich ist, als man ihnen bisher zugetraut hat und die sich deshalb gerne engagieren. Voraussetzung: Wenn der Chef , die Chefin sie lässt!

„Zuhause benehmen sich Menschen wie verantwortungsvolle Erwachsene. Warum behandeln wir sie wie Heranwachsende ohne Freiheiten, sobald sie zur Arbeit kommen?“

Ricardo Semler

Und da liegt in vielen Fällen, die ich als Organisationsberaterin und Sparringspartnerin für Top Führungskräfte beobachten kann, häufig die Krux. Anstelle von Zutrauen und Vertrauen sind bei immer noch vielen Führungskräften die Faktoren der eigenen Sozialisierung zur Führungskraft zu präsent, bspw. durch

  • Vorbilder, die diese Führungskraft auf ihrem Weg zur eigenen Position hatte,
  • deren „Command & Control-Führungsstil“, den sie nachhaltig vorlebten und selbiges erwarteten,
  • das Umsetzen von gelehrten Management-Techniken aus etlichen Führungsseminaren – wie das „richtige“ Delegieren oder angewandtes Zeitmanagement,
  • den eigenen Stolz darauf, das alljährliche Mitarbeitergespräch innerhalb des für die Bonuszahlung relevanten Stichtages geführt zu haben,
  • all die persönliche Anstrengung, um das Heldentum der obersten Führungsetagen zu bewahren.

Die Liste ließe sich fortführen mit Aspekten, die in einer analogen Zeit, im Industriezeitalter 3.0 noch absolut ihre Berechtigung hatten. Denn sie waren nicht selten Garant für den Erfolg eines Unternehmens. Daher ist das bitte auch nicht als Führungskräfte-Bashing zu verstehen. Schauen wir auf den zunehmenden Grad der Überlastung und permanenten Überforderung, auch, weil wir in einer VUKA Welt leben, stellt sich die Frage: Welche Erlaubnis müssten sich also Führungskräfte zur eigenen Entlastung geben, wenn sie durch eine solche Sozialisierung geprägt wurden und es gerne anders hätten?

Hier ein paar Vorschläge: Es geht um die die Erlaubnis

  • für ein grundsätzlich positives Menschenbild (bspw. nach Douglas McGregor), das davon ausgeht, dass Menschen ihr Bestes geben unter den passenden Rahmenbedingungen.
  • Verantwortung abzugeben. Damit geht einher, dass Verantwortung vom Mitarbeitenden übernommen und mit ihm eindeutig verhandelt wird, welchen Nutzen und auch Konsequenzen damit einhergehen.
  • für Augenhöhe. Immer beschworen, doch nicht immer umgesetzt. Dazu zählt neben einer wertschätzenden Kommunikation ebenfalls die Einladung zu „lead your boss!“. Als erlebbare Folge einer Verantwortungs- und Vertrauenskultur.

Eine weitere Kategorie an Erlaubnis, die häufig bei Führungskräften zu wenig beachtet wird, soll nicht unerwähnt bleiben.

Es geht um die sogenannten Antreiber, Einschärfungen und Glaubenssätze, die das persönliche „Lebensskript“ ausmachen und in der Transaktionsanalyse (nach Eric Berne und Thomas A. Harris) ihren Ursprung haben. Da geht es um Antreiber wie „streng dich an!“, „sei stark!“,  „sei perfekt“, „sei schnell!“, „sei gefällig!“. Oder um Einschärfungen wie „ich bin nicht genug“, „zeig keinen Ärger!“, „zeig keine Gefühle!“ oder „sei kein Kind!“.

Führungskräfte brauchen das Wissen um die eigenen inneren „Gebote“ und „Verbote“. Es ist die Voraussetzung für einen Perspektivwechsel, ein geändertes Führungsverständnis, und ermöglicht die persönliche Neuentscheidung und somit neues Verhalten.

Das Ergebnis kann sich lohnen: Entlastung findet Raum und Zeit. Für alle Beteiligten!

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