Wie der Umgang mit einem Kunstwort aus dem letzten Jahrhundert zeitgemäße Lösungen für das Zeitalter der Digitalisierung birgt.

„VUCA oder was?“

Für die einen ist VUCA ein weiteres Buzzword, für die anderen ist es nach wie vor ein abstrakter Begriff. Uns es gibt noch Menschen, die VUCA noch nie gehört haben.

Und was zu abstrakt und unbekannt ist, damit wird sich zunächst nicht befasst. Warum auch – wenn um mich herum schon genügend Dinge unbeständig, unsicher, komplex und mehrdeutig sind. Was manche zu einem neuen Ansatz im Umgang mit den Phänomenen von VUCA/VUKA -Volatilität, Unsicherheit, Komplexität (Complexity) und Ambiguität bringt:
Diese bewusst wahrzunehmen, auf den eigenen Kontext zu beziehen, deren aktuelle und zukünftige Auswirkungen zu reflektieren oder zu antizipieren und daraus Lösungen abzuleiten.

Servicemanagement und digitale Transformation – Springer Verlag

Woher kommt der Begriff VUCA?

VUCA ist ein Akronym (Kunstwort). Erstmals 1985 beschreiben die beiden Wirtschaftswissenschaftler und Universitätsprofessoren Warren Bennis und Burt Nanus in ihrem Buch „Leaders The Strategies For Taking Charge“ die Herausforderungen von verschiedenen externen Faktoren für Management und Leadership und welche Folgen daraus für die Unternehmensführung entstehen. Für die vier maßgeblich wirkenden und zu berücksichtigenden Phänomene Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity fand sich das Akronym VUCA.
(Im Deutschen VUKA Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität)

VUCA Positive

VUCA Positive Prime nach Bob Johansen von 2007 umschreibt genau diese Anforderungen im Umgang mit den Wirkungen von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit. Es braucht Vision, Understanding, Clarity und Adaptability bzw. Agility.
Genau um dieses Verständnis geht es heute und zukünftig mehr denn je. Gefragt sind VUCA Management und VUCA Leadership und das Bewusstsein für Lösungen, die darin liegen. Auf die Analyse der individuellen Betroffenheit durch die VUCA Phänomene müssen und können Antworten im Sinne von Ansätzen, Lösungen und konkreten Maßnahmen erfolgen.
Damit wird VUCA auch zur Methode.

Warum wird die Herkunft von VUCA häufig mit dem US Militär in Verbindung gebracht?

Mitte der 1990er Jahre, nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems gab es auf einmal nicht mehr den EINEN FEIND. Im Jargon des amerikanischen Militärs beschreibt VUCA die Bedingungen des modernen Krieges – Stichwort: asymmetrische Kriegsführung, Selbstmordattentäter, Dschungel- oder Straßenkampf. Die Bedingungen lassen sich nicht mehr mit den klaren Frontlinien vergangener Schlachten vergleichen, in denen zwei große Heere aufeinander trafen. Was bedeutet, dass die Strategie an die sich veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden muss.

Warum sich das amerikanische Militär der Kategorisierung durch VUCA bedient hat, drückt das folgende Zitat aus:

„Military is never reactive. It´s always responsive!”

von Mike Schindler (Award-winning author, US Navy Veteran, One of the US nation’s foremost experts on veteran issues and individual/team leadership)      
Es geht um Vorbereitung, Antizipation, Erkundung, Evaluierung, Anpassung und Antwortfähigkeit.
Mike Schindler, Chris Nolan, and Waltraud Glaeser on #VUCA

Was verbirgt sich hinter VUCA?

Das Akronym VUCA setzt sich aus den vier Begriffen Volatilität, Unsicherheit, Komplexität (Complexity) und Ambiguität zusammen:

  • Volatilität (volatility) beschreibt die Schwankungsintensität über den zeitlichen Verlauf. Leicht verständlich wird es am Beispiel von Aktienkursen: Innerhalb eines kurzen Zeitraums stark schwankende Aktienkurse zeigen sich als „scharfe Zacken“ im Verlaufs-Chart. Je höher die Volatilität, desto stärker und „zackiger“ die Ausschläge.
  • Unsicherheit (uncertainty) beschreibt in diesem Modell die Unvorhersagbarkeit von Ereignissen. Je mehr „Überraschungen“ der Kontext bereithält, desto unsicherer ist dieser.
  • Komplexität (complexity) wird durch die Anzahl von Einflussfaktoren und deren gegenseitiger Abhängigkeit bzw. Interaktion beeinflusst. Je mehr Interdependenzen ein System enthält, desto komplexer ist es. Der Begriff „komplex“ ist dabei vom Begriff „kompliziert“ zu differenzieren – auch wenn beide oft fälschlicherweise äquivalent benutzt werden. Ein kompliziertes System kann man vereinfachen, ohne die interne Struktur des Systems zu zerstören. Beispiel: ein unübersichtlicher mathematischer Bruch wird durch Kürzen vereinfacht. Ein komplexes System hingegen wird zerstört, wenn man versucht, dieses zu vereinfachen – z.B. durch Zerlegen.
  • Ambiguität (ambiguity) beschreibt die Mehrdeutigkeit einer Situation oder Information. Selbst wenn viele Informationen vorhanden sind (i.S.v. sicher und vorhersagbar), kann die Bewertung derselben immer noch mehrdeutig sein. „Und was heißt das jetzt?“, ist eine typische Frage in solchen Situationen, selbst wenn eigentlich „alle Fakten auf dem Tisch liegen“. Kommunikationssituationen beinhalten häufig ein hohes Maß an Ambiguität. Zu allem Überfluss ist dies den Beteiligten jedoch vielfach nicht einmal bewusst.

VUCA beschreibt die veränderten Rahmenbedingungen

In dieser VUCA-Welt, besonders im Zeitalter der Digitalisierung, müssen Führungskräfte anders agieren – Offiziere ebenso wie Manager.
Denn auch für Unternehmen hat sich das Umfeld radikal gewandelt und herkömmliche Führungsmethoden stoßen an ihre Grenzen. An diese neue Welt können und müssen sich Firmen anpassen.
VUCA zielt deshalb darauf ab, das nicht Erfassbare erfassbar zu machen. Und steht für die Beschreibung der veränderten Rahmenbedingungen, unter denen heute Entscheidungen getroffen werden müssen. Es ist eine Umgebung, in der Informationen keinerlei prognostische Aussagekraft mehr besitzen, weil Rahmenbedingungen sehr schnell wechseln, Interessenkoalitionen immer vielschichtiger werden sowie Motivlagen sich ständig verändern.

Alles ist völlig „VUCA” – also was tun?

VUCA-Umgebungen erfordern von Unternehmen und Organisationen eine neue Art der Führung und Entscheidungsfindung, die sich von der traditionellen Logik und Planungsmethoden unterscheidet. Unlogik zuzulasen und die Fähigkeit, schnell auf unerwartete Entwicklungen reagieren zu können, sichern Zukünftsfähigkeit.

Unternehmen und Organisationen, die in VUCA-Umgebungen erfolgreich sein möchten, müssen daher vorhandene Glaubenssätze und eingefahrene Muster überdenken, wenn sie flexibel und anpassungsfähig sein wollen und sich damit nicht für den wirksamen Umgang mit den VUCA-Auswirkungen sogar noch behindern wollen. Sie sollten in der Lage sein, unvorhergesehene Entwicklungen zu erkennen, sich darauf vorbereiten, schnell und auch durchaus pragmatisch zu handeln, anstatt sich auf starre Pläne und Prozesse zu verlassen.

„VUCA is out, BANI ist in“? Und wer kennt RUPT und TUNA?

Bei aller Vielfalt der Kunstworte meine Einschätzung vorweg:
Es braucht jegliche Übersetzung und Kreation, die Orientierung gibt und Organisationen und Führung mehr vom Passenden tun lässt! Es wäre falsch und unklug, die Begriffe und die Ideen dahinter in einen Wettbewerb miteinander zu schicken. Vielmehr ist es wertschöpfend, die jeweiligen Aussagen und Positionen zusammen zu denken und als weitere Unterstützung zu begreifen für eine Welt, die sich nach vorne entwickelt und zu keinem Zeitpunkt mehr „Ausnahme von einer Regel“ bedeutet. Das wäre sehr naiv und eher Wunschdenken als Realismus.
VUCA, BANI, RUPT, TUNA

VUCA wird zum Thema von Führung und Organisationsentwicklung

„Im Teamsport ist es undenkbar, dass ein Spiel zweier Mannschaften zweimal hintereinander exakt gleich verläuft. Vielleicht endet das Spiel mit dem gleichen Ergebnis, doch der Spielverlauf und die einzelnen Aktionen werden jedes Mal anders sein. Zu viele Faktoren wie Gegner, Schiedsrichter, Glück, Wetter, Zuschauer, Tagesform, Tabellenstand, taktische Ausrichtung etc. beeinflussen das Spiel. Und hier sind wir direkt in der Welt von Führungskräften und Entscheidern.“
Stefan Kermas, Hockey Olympiasieger und  ehem. Trainer der Hockey-Nationalmannschaft

Entscheide zu entscheiden!

Führungskräfte und Unternehmer müssen täglich mehr oder weniger weitreichende Entscheidungen treffen. Doch wie kann ich mich in einer VUCA-Welt entscheiden? Noch dazu, wenn Schnelligkeit und ein gewisses Maß an Pragmatismus gefragt sind? „Rationales Entscheiden“ gilt immer noch als der Goldstandard der Entscheidungsfindung. Und es stimmt: die Verdienste und Erfolge dieser Vorgehensweise sind unbestritten.
Ein Hoch auf die Ratio. Bedauerlich ist jedoch, dass manche Entscheider immer noch glauben, gute Entscheidungen würden tatsächlich rein rational gefällt. Erkenntnisse der Hirnforschung zeigen hingegen vielmehr, dass die Ratio vielfach nur ein „Rechtfertigungs-Bereitsteller” der vorher „vom Bauch“ gefällten Entscheidung ist. Die „Gründe suchende“ Ratio ist in diesem Sinne nur Diener einer intuitiv – und teilweise unbewusst – getroffenen Entscheidung. Daher geht es auch um die eigene, innere Erlaubnis, Bedürfnisse und Emotionen bewusst zuzulassen und sie als wesentlichen Bestandteil von VUCA fähigen Entscheidungen anzuerkennen. Zumal es vielmehr um ein Sowohl-als-auch geht, als den Entweder-oder-Modus als Maß der Dinge zu sehen.

Zugegeben: auch das ist eine undifferenzierte und überspitzt dargestellt Sichtweise.
Die Erfahrung zeigt jedoch, dass bei Entscheidungssituationen die am meisten angemessene Lösung auftaucht, wenn sowohl Ratio als auch Intuition ihren Platz erhalten und ihnen gleichermaßen Stellenwert zugesprochen wird. Letztlich geht es damit immer um die zwei Parameter:

  • Wie viele Informationen habe ich über eine Situation?
  • Wie sehr kann ich die Auswirkungen meines Handelns abschätzen?

Grundsätzlich kann ich dem begegnen, indem ich volatilen Rahmenbedingungen genügend Schwankungspuffer, ungewissen Situationen eine solide Informationsmenge und komplexen Entwicklungen eine Kombination von Information und Ressourcen entgegensetze.
VUCA Lösungen

Ich bin der festen Überzeugung, dass Menschen ganz viel können, wenn man sie nur lässt und ihnen Vertrauen schenkt. Wenn ihre Bedürfnisse Raum bekommen und die Freiheit gegeben ist, Verantwortung zu übernehmen, eigene Entscheidungen zu treffen – und auch für die Konsequenzen einzustehen. Das sind wesentliche Erfolgsfaktoren, um in einer VUCA-Welt im Zeichen der Digitalisierung die Orientierung zu behalten und achtsam zu navigieren. Die Grundlage für meine ganz persönliche Haltung und Aussage,
„Glücklicherweise ist es nur VUCA!“ (Waltraud Gläser)
VUKA Facilitator®
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